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VINTAGE Kollektion
Als einzige Uhr, die Heuer in einer Zeit herstellte, in der die Kataloge von Chronographen dominiert wurden, war die Solunar ein einzigartiger Zeitmesser in Heuers 70er-Jahre-Kollektion. Auch wenn es sich nicht um einen Chronographen handelte, entsprach die Entwicklung der Solunar der Positionierung von Heuer als Anbieter von „Funktionsuhren“, die speziell für Naturliebhaber und Abenteurer entwickelt wurden. Die markanten inneren und äußeren Lünetten dienten als unverzichtbare Hilfsmittel für all diejenigen, die die Zeiten von Ebbe und Flut kennen mussten. Sie verliehen der Solunar ein einzigartiges Aussehen, das sich an dem Stil der Heuer Chronographen der 1970er orientierte.
Wenn „Form Funktion folgt“, dann ist das einzigartige Aussehen der Heuer Solunar aus den 1970ern eine natürliche Folge ihrer ungewöhnlichen Komplikation: Die Uhr wurde entwickelt, um für jeden Tag eines zweiwöchigen Zeitraums die Ebbe und Flut an einem bestimmten Ort anzuzeigen. Auch wenn sich die 1975 lancierte Solunar (der Name ist ein Schachtelwort aus „Solar“ und „Lunar“) vornehmlich an Fischer richtete, ist ihre Gezeitenanzeige für jeden nützlich, der die Gezeiten verfolgen muss, sei es beim Surfen, Muschelsuchen oder beim Bau der ultimativen Sandburg. Die Solunar ist ein faszinierendes Beispiel sowohl für Nischenmarketing als auch dafür, wie eine Uhr für viel mehr als nur die Anzeige der Zeit verwendet werden kann.
1949 SOLUNAR
Die Geschichte der Solunar beginnt in den späten 1940ern, als Heuer Uhren, Chronographen und andere Zeitmesser für das US-amerikanische Einzelhandelsunternehmen Abercrombie & Fitch auf Handelsnamenbasis produzierte. Jack Heuer berichtet von der Entstehungsgeschichte der Solunar in seiner Biografie:
„Eines Tages kam mein Vater von der Arbeit nach Hause und erzählte, dass Walter Haynes, der damalige Chef des exklusiven Sportausrüsters Abercrombie & Fitch in New York, ihn gebeten hatte, eine Uhr zu entwickeln, die die Zeit der Gezeiten anzeigen konnte. Witzigerweise hatte mein Vater schon einige Jahre zuvor eine Uhr mit Mondphasenanzeige ersonnen, weil er bei der Pilzsuche beobachtet hatte, dass bei zunehmendem Mond mehr Morcheln zu wachsen schienen. Eine Uhr mit Gezeitenanzeige aber war ihm noch nicht in den Sinn gekommen. Er hatte das Meer seit einigen Jahren nicht mehr gesehen und war mit dem Thema Gezeiten überhaupt nicht vertraut. Er kratzte sich am Kopf und gab zu, dass er keine Ahnung hatte, wie er das anstellen sollte. Ich sagte meinem Vater, dass mein Physiklehrer in der Schule, Dr. Heinz Schilt, ein Genie sei und ich sicher sei, dass er eine Lösung finden würde. Dieser führte tatsächlich alle Berechnungen für die Räder und Zahnräder durch, die für eine Uhr benötigt wurden, um die Gezeiten an einem bestimmten Ort vorherzusagen.“
Der Erfolg der Solunar führte zu einer Chronographenversion der Gezeitenuhr, der Heuer „Mareograph“. Der Chronograph kombinierte das Gezeitenzifferblatt der Solunar (bei 9 Uhr) mit einem Chronographen mit drei Zählern und einer Kapazität von 12 Stunden. Dieser Chronograph wurde von Abercrombie & Fitch unter dem Namen „Seafarer“ und später von Orvis unter dem Namen „Solunagraph“ verkauft, obgleich all diese Modelle von Heuer hergestellt wurden.
Während die Mareograph Reihe bis in die 1970er fortgeführt wurde, verschwand die Solunar nach nur wenigen Jahren aus dem Heuer Sortiment, bis sie in einer ganz anderen Form wiederbelebt wurde.
Die Solunar der zweiten Generation (Referenz 279.603), die 1975 auf den Markt kam, war ein Kuriosum im Heuer Katalog (siehe oben im Katalog von 1977): Sie wies ein großes (45 mm) Edelstahlgehäuse, eine Doppelkrone sowie ein Datumsfenster bei 3 Uhr aus und verfügte über keine Chronographenkomplikation. Von der neuen Solunar gab es nur eine Version mit einem dunkelblauen Zifferblatt und aufgemalten Leuchtmarkierungen für die Stunden.
Das Design der Solunar wird von der großen schwarz-silbernen äußeren Lünette (mit den Markierungen für Ebbe und Flut) und der zweiwöchigen schwarz-weißen inneren Lünette (mit Markierungen für 14 Tage) dominiert. Diese Anzeigen nehmen den größten Teil des verfügbaren Platzes ein und lassen das blaue Zifferblatt selbst relativ klein erscheinen.
Die weiß lackierten Zeiger mit Leuchteinlagen ähneln dem Stil, den Heuer für einige seiner Chronographen aus der Mitte der 1970er verwendete. Sie tragen dazu bei, der Solunar ein Heuer typisches Aussehen zu verleihen. Ähnlich wie beim Chronographen Calculator sind die schwarze Farbe und der Text auf der Lünette auf einen silbernen Untergrund gedruckt, anstatt eine Einlage aus Aluminium oder Stahl zu haben.
Das Gehäuse selbst ist hochglanzpoliert und bildet dadurch einen interessanten Kontrast zu dem matten Silber der Lünette. Abgerundet wird die Uhr durch ein gewölbtes Plexiglas, das ebenfalls dem Design der Heuer Calculator ähnelt.
Die Solunar war entweder mit einem Edelstahlarmband oder mit dem in den 1970ern für Taucheruhren so häufig verwendeten „Tropic“-Armband ausgestattet.
Angetrieben wird die Solunar von einem ETA 2790-1, einem Kaliber, das wie die Solunar selbst nur einige Jahre lang zwischen 1976 und 1980 produziert wurde. Es ist eines der ersten Male, dass Heuer ein ETA-Markenwerk verwendet und nicht die Uhrwerke anderer Marken aus der ETA-Familie wie Valjoux und Landeron. Das Kaliber bietet nicht nur eine Datumsfunktion, sondern auch eine zweisprachige Option für die Tagesscheibe.
Wenn die Solunar also ein herkömmliches 3-Zeiger-Werk hat, wie zeigt sie dann Ebbe und Flut an? Die Antwort liegt in der Kombination aus der inneren Zwei-Wochen-Scheibe und der äußeren Lünette.
Bevor wir die Funktionsweise der Solunar untersuchen, eine kleine Erinnerung an die Kräfte, die den Zeitpunkt von Ebbe und Flut beeinflussen. Gezeiten entstehen durch die Anziehungskraft zwischen der Erde und dem Mond. Der Zeitpunkt der Flut wird von zwei Faktoren bestimmt: der Rotation der Erde (eine Umdrehung alle 24 Stunden) und der Rotation des Mondes um die Erde (einmal ca. alle 28 Tage). Würde sich der Mond nicht bewegen, dann wäre die Flut jeden Tag zur gleichen Zeit. Aber so einfach ist das Leben nicht.
Da wir zwei sich bewegende Objekte haben, verschiebt sich der Zeitpunkt der Flut jeden Tag um (1/28 x 24 =) 51,5 Minuten (ungefähr). Schauen Sie sich nun die Lünette an. Auf dem 12-Stunden-Zifferblatt finden sich Markierungen für 14 Tage. Rechnen Sie ein wenig weiter:
(12 Stunden/14 Tage) x 60 Minuten = 51,42 Minuten zwischen den einzelnen Dreiecksmarkierungen; das entspricht in etwa den oben berechneten 51,5 Minuten (seien wir ehrlich, ein paar Sekunden mehr oder weniger ändern nichts daran, ob die Fische anbeißen).
Okay, da wir nun wissen, warum die Tagesmarkierungen in einem Abstand von etwa 51 Minuten angeordnet sind, wie verwenden Sie die innere Scheibe? Nehmen wir an, Ihr Angelurlaub beginnt an einem Montag und Sie haben anhand der örtlichen Gezeitenauskunft festgestellt, dass die erste Flut des Tages um 10:00 Uhr morgens sein wird. Benutzen Sie einfach die untere Krone, um die innere Scheibe so zu drehen, dass das kleine Dreieck unter „MON“ auf die Zeit für die erste Flut des Tages (10:00) ausgerichtet ist. Das war's. Die schwarz-weiße Scheibe zeigt nun die Flut für jeden Tag in den nächsten zwei Wochen an. Wenn die erste Flut am Montag um 10:00 Uhr ist, dann ist die erste Flut am Dienstag um 10:50 Uhr und am Mittwoch um 11:40 Uhr. Und so geht es zwei Wochen lang weiter.
Das ist schon einmal sehr hilfreich. Die Flut tritt allerdings nicht nur einmal am Tag auf, sondern zweimal. Deshalb brauchen wir eine zweite Skala, die Heuer auf der äußeren Lünette angebracht hat.
Die äußere Lünette zeigt an, dass zwischen Ebbe und Flut etwa 6 Stunden liegen, also 12 Stunden zwischen den Hochwassern.
Richten Sie einfach das rote Dreieck auf der Lünette auf die Zeit der Hochwasserzeit aus (Erinnerung: 10:00 Uhr im gezeigten Beispiel) und schon erhalten Sie die tägliche Ebbe und Flut der Gezeiten.